Analog Portrait Fotografie Contax 645

Erfahrungsbericht Contax 645

MEIN AUSFLUG IN DIE ANALOGE WELT

Vorgeschichte

Vor etwa dreizehn Jahren habe ich begonnen mich ernsthafter mit der Fotografie zu beschäftigen. Mein erstes Urlaubsgeld investierte ich in eine digitale Nikon Coolpix 3100 und infizierte mich sogleich mit dem Virus Fotografie. Die Digitalfotografie steckte noch in den Kinderschuhen und die kleinen Kompakten waren recht spärlich ausgestattet. So schwenkte ich auf eine Canon EOS 500, eine analoge Spiegelreflexkamera, die ich gebraucht von einem Arbeitskollegen erstand.

Das Medium Film war mir nicht gänzlich unbekannt, fotografierte ich als Teenager auch sehr gern und viel mit einer Canon IXUS APS Kamera.  Nein, nicht digital, das kleinere analoge Filmformat ist gemeint. Vielleicht erinnert sich jemand an die kleinen Filmkassetten, recht Benutzerfreundlich beim Film-Wechseln aber sonst mit etlichen Nachteilen gebrandmarkt.

Durch die vielen Einstellmöglichkeiten einer Spiegelreflexkamera beflügelt wurden einige 135er Filme belichtet und in Discountlaboren entwickelt. Mit mäßigen Ergebnissen da die langen Wartezeiten die Lernkurve extrem streckten.  Es machte dennoch sehr viel Spaß.

Die Digitalen Kameras gewannen an Bedeutung und so versuchte ich alle verfügbaren Mittel zusammen zu kratzen um eine digitale Canon EOS 300D zu kaufen. Ah, was war das für eine Vorfreude! Die sechs Megapixel in dem silbernen Gehäuse waren ein Traum.

An dieser Stelle möchte ich meinen Eltern vom tiefsten Herzen danken, dass sie mich immer bedingungslos unterstützt haben. Ich konnte mir die 300D noch nicht leisten und war dabei einen Kredit aufzunehmen. Mein Vater zögerte nicht und gab mir den benötigen Betrag damit ich die Kamera bar und schuldenfrei kaufen konnte. Damit war aber auch das Thema Analogfotografie Geschichte.

Nun etliche Jahre später, recht gut angekommen in der digitalen Ära, suchte ich nach Möglichkeiten meinem G.A.S (Gear Acquisition Syndrome) Einhalt zu gebieten und mich auf das Schöpferische zu konzentrieren. Meinen fotografischen Schwerpunkt bildet die Hochzeitsfotografie und da das Gerne so breit gefächert ist findet sich entsprechend viel Nährboden für exorbitante Ausrüstungswünsche und Kaufgelüste. Man will dem Kunden nur das Beste bieten.

Wer mal einen Wedding Workshop z.B. bei Carmen und Ingo besucht hat (absolut empfehlenswert) sieht vor sich einen Tisch mit etwa fünf Kameras und siebzehn Objektiven. Die beiden sind unglaublich erfolgreich im Hochzeitsbusiness und entsprechend gefragt ist ihre Meinung zur Ausrüstung und Arbeitsweise. Da wird alles von 16mm bis 200mm thematisiert und verwendet, auch wenn 90% der Fotos mit einem 50mm oder 85mm geschossen werden.

Ein 24mm in lichtstarker Ausführung und eines in Tilt/Schift. Ein 35mm da gerade so fancy und beliebt, ein 50mm darf sowieso nicht fehlen. Das Portrait Objektiv 85mm 1,2L ist selbstverständlich und 100mm Makro muss auch her. Für jeden Zweck das perfekte Objektiv. Dazu mindestens zwei Kameras und noch am besten vier als Backup. Weil man ja flexibel sein möchte hat man dann noch ein 24-70mm und ein 70-200mm, natürlich in bester L-Qualität. Sollte man sich dabei ertappen mehr als zehn Fotos mit einem der Objektive, für den Kunden zu machen, braucht man sowieso das gleiche Objektiv noch einmal als Backup, es könnte mal was kaputt gehen.

Irgendwann wurde mir das Ganze zu viel. Ich verbrachte mehr Zeit damit zu überlegen welche Objektive ich wann einsetzen möchte als mich auf das Motiv selbst zu konzentrieren. Abgesehen von der Plackerei  die Ausrüstung schleppen zu müssen wollte ich auch nicht nur arbeiten um mein G.A.S zu befriedigen.

Die Macht des Einfachen

So wie mich Business Gurus wie Carmen & Ingo inspirierten wurde ich auch zunehmend von einer frischen Welle junger Talente erfasst die mit einfachsten Mitteln unglaubliche Bilder zu Stande brachten – Fotografinnen wie z.B. Maja Topcagic die mit Einstiegskameras und einfachen Objektiven gewaltiges produzierten.

Ein einschneidendes Erlebnis war ein Video von Amanda Dahms (Amanda Berens) in dem sie ihre Arbeitsweise präsentierte. Fast alle Bilder wurden lediglich mit einem 50mm geschossen und ich war begeistert. Es kann doch so einfach sein.

Ich ertappte mich wie ich immer mehr Fotografen folgte die mit einfachen Mitteln arbeiten. Eine klare Linie. Die Reduzierung des technischen auf ein Minimum eröffnete mir den Raum für gestalterisches und schöpferisches.

Versteht mich nicht falsch, ich bin immer noch einer der mit dreifachem Backup ausrückt und jede technische Neuerung mit Kinderaugen betrachtet. Aber die Arbeitsweise hat sich gravierend geändert. Ich habe ein Set welchem ich vertraue und neunzig Prozent meiner Reportagen kann ich damit abdecken. Aktuell arbeite ich am liebsten mit einem 24mm und einem 50mm Objektiv.

Wenn ich gezwungen wäre nur ein Objektiv verwenden zu dürfen wäre das ganz klar das 50mm. Somit beschäftige ich mich auch unentwegt damit und suche nach Möglichkeiten das Maximum heraus zu holen.

Die nächste Stufe

Endlich war das G.A.S. überwunden und ich konnte mich auf die Arbeit konzentrieren.

Hallo, mein Name ist Amir und ich habe seit über zwei Jahren kein neues Objektiv gekauft!

Nach drei Jahren erfolgreicher Hochzeitsfotografie und ständiger Weiterbildung ertappte ich mich wieder wie ich ganz klar eine Art von Fotografie bevorzugte und Fotografen mit einer ganz eigenen Bildsprache als Vorbilder betrachtete.  Eines hatten alle diese Fotografen gemeinsam, sie fotografieren analog.
Ja, ganz genau – ANALOG. In der Zeit der Hochtechnologie und immer besser, schneller und kleiner werdenden Kameras würde man das nicht als einen extremen Rückschritt sehen?
Analogfotografie erlebt eine kleine Renaissance und Hersteller wie Kodak bringen sogar alte Filme wieder zu neuem Leben. Aber ist es wirklich umsetzbar und praktikabel, ist es nicht nur ein Hype? Wie auch immer, nachdem ich eine wundervolle Portrait Session bei Siegrid Cain gebucht hatte und sie mein Lieblingsportrait auf 120er Film brannte war ich endgültig Feuer und Flamme für analoge Fotografie.

Meine erste richtige SLR, die Canon EOS 500, war noch im Schrank und fast funktionsfähig. Nachdem ich ihr eine neue Batterie verpasst hatte war sie sofort wieder einsatzbereit. Zu meiner Überraschung war ein Film bereits eingelegt, leider hatte ich keine Ahnung was schon belichtet war. Neue 135er Filme zu bekommen ist auch nicht so einfach gewesen, aber ein paar Kodak Portra 400 und ein paar Schwarzweiß Filme konnte ich ergattern.

Praktischer weise wurde ich zu einer Hochzeit eingeladen, ausnahmsweise als Gast, und das war die perfekte Möglichkeit ein paar Filme stressfrei zu belichten. Es hat sich fantastisch angefühlt, auch wenn ich mir recht lächerlich vorgekommen bin, nach jedem auslösen auf die Rückwand der analogen Kamera blickend. Das faszinierende an der analogen Fotografie ist das notwendige Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Es gibt keine Möglichkeit das Foto unmittelbar zu kontrollieren.  Der Umgang mit einem Handbelichtungsmesser und die Geduld, die notwendig ist, haben was Esoterisches an sich. Der gängigste Begriff wäre wohl „Entschleunigt“.

Nach der Hochzeit mussten die Fotos entwickelt und gescannt werden. Wie macht man das heutzutage? Nachdem ich die Analog Hochzeitsfotografie Szene intensiv verfolgt habe ist ein Name ganz klar in den Vordergrund zu stellen: Carmencita Film Lab. Ein wenig auf der Seite gestöbert und das erste Bestellformular ausgedruckt, schon waren die ersten Filmrollen in einem Umschlag nach Valencia. Die Wartezeit auf die Scans war unendlich. Man kann sich das kaum vorstellen welche Vorfreude und Neugier hier geweckt wird. Der normale Preis für Entwicklung und Scan beinhaltet eine Bearbeitung in 4-5 Werktagen, das aber erst nachdem die Filme angekommen sind und die Rechnung beglichen wurde. In Summe kann das dann schon 10 Tage dauern bis man seine Analogfotos bekommt.

Analog Fotografie Canon EOS 500 Analog Fotografie Canon EOS 500 Fineart Hochzeitsfotografie Analog Film Fineart Hochzeitsfotografie Analog Film

Alle Fotos oben geschossen mit Canon EOS 500 – Canon EF 50mm 1,2LKodak Porta 400

Schon seit ihr denken kann ist meine Traumkamera eine Hasselblad. So war es auch nahelegend für das analoge Abenteuer nach einer Hasselblad Ausschau zu halten. Interessanterweise hat sich die Hasselblad aber in der Hochzeitsbranche nicht so durchgesetzt denn führende Fotografen in diesem Bereich arbeiten vermehrt mit einer ganz anderen Kamera. Als „state of the art“ Kamera im wedding business hat sich die Contax 645 etabliert. Wahrscheinlich ist es Jose Villa und Co. geschuldet, dass alle nach der Kamera gieren, arbeitet doch er als einer der berühmtesten Hochzeitsfotografen mit der Contax.
Entsprechend diesem Umstand ist die Contax auch eine der teuersten analogen Mittelformatkameras die am Gebrauchtmarkt zu finden sind. Die Preise bewegen sich im Bereich 2000-5000 EUR abhängig des Zustandes und vor allem abhängig vom Objektiv. Die Contax 645 hat nämlich ein Alleinstellungsmerkmal, das ZEISS Planar 2/80mm Traumobjektiv.

Meines Wissens nach gibt es kein anderes Mittelformat Objektiv mit einer Blende von 2. Oft wird es als das perfekte Portrait Objektiv genannt und ist am großen Erfolg der Contax 645 maßgeblich beteiligt.

Diese Preisspanne für eine gebrauchte nicht mehr produzierte Kamera war mir ursprünglich zu heftig aber ich ließ aus Neugier ein paar Agenten nach der Contax suchen. So es der Zufall will stolperte ich dann doch über eine sehr gut erhaltene Contax mit dem Zeiss 80mm Objektiv und musste zuschlagen.

Contax 645 Mittelformat Analog

Das Abenteuer Contax 645

Die Größe einer Mittelformat Kamera war mir nicht neu, die Contax hat die gewohnte Übergröße wie auch eine Hasselblad der H Serie oder vergleichbares. Die Verarbeitung und Haptik sind auf Profibetrieb ausgelegt und alles sitzt auf seinem Platz. Das gesamte Bedienkonzept ist selbsterklärend und die einzige richtige Herausforderung für den Start ist das erste einlegen eines 120er Films in die Filmkassette. Nachdem ich zum ersten Mal in meinem Leben einen 120er Film in den Händen gehalten hab war ich etwas ehrfürchtig. Doch selbst das Filmladen war nach zwei Handgriffen und zwei drei Wiederholungen eines YouTube Videos erledigt.

Den Film zu laden hatte für mich etwas Meditatives, Beruhigendes. Es geht nicht überhastet und schnell, nur mit Geduld und Präzision. Das alleine ist schon ein bemerkenswerter Unterschied zu meinem digitalen Workflow gewesen. Speicherkarten rein und los geht’s. Hier ging es zuerst darum zu überlegen was fotografiert wird, welcher Film ist notwendig, werden die Bedingungen ein Fotografieren mit dem entsprechenden Film erlauben.

Als ich den ersten Film eingelegt hatte musste ich schmunzeln als ich den Kartondeckel vom Film abreißen und hinten auf der Filmkassette einspannen musste, damit ich später den eingelegten Film identifizieren kann. So etwas kennt man in der digitalen Welt nicht. Ich habe mir einen Vorrat an Kodak Portra und Fuji 400H Filmen angelegt, wobei ich bis jetzt dem Kodak verfallen bin.

Endlich war es so weit, ich hatte meine eigene Contax 645 und die ersten Filme waren eingelegt. Zwei Filmkassetten hatte ich bekommen und konnte so zwei Filme laden. Was bietet sich mehr an für einen Kameratest als die eigene Familie? An einem schönen Nachmittag gingen wir mit Arian zum Spielplatz und ich schleppte die Contax mit um die ersten Bilder zu belichten. Schleppen ist der richtige Ausdruck, die Kamera und das Objektiv sind weit schwerer als eine normale DSLR Ausrüstung, aber man gewöhnt sich dran.

Ich muss sagen, dass ich richtig nervös war. Ich hatte eine Traumkamera in meinen Händen und würde die ersten Mittelformat Fotos belichten. Doch, habe ich den Film richtig eingelegt? Den Schieber aus der Filmkassette ziehen fühlte sich so handwerklich an, dass ich meine digitale Arbeitsweise gar als dilettantisch empfand.

Um ein spielendes Kind zu porträtieren ist die Kamera nicht gemacht. Der Autofokus ist ok, aber die unglaublich geringe Tiefenschärfe verlangt präzisestes Fokussieren, ich habe meistens manuell eingegriffen und nachkorrigiert. Der große Sucher erlaubt das aber mit Leichtigkeit und es ist eine Wohltat durch den Sucher zu blicken und die unglaublich weichen Übergänge zur Unschärfe zu verschieben.

Durch die Beschränktheit der 16 Bilder pro Film war die Herangehensweise auch völlig konträr zum digitalen Workflow. In der gleichen Zeit hätte ich mit der Canon 5D Mark III wahrscheinlich 200 Fotos geschossen, mit der Contax begnügte ich mich mit zwei Filmen, also insgesamt 32 Fotos. Man beobachtet mehr durch den Sucher, versucht die Situation besser vorherzusehen und wartet die besseren Momente ab.

Contax 645 Film Portrait AnalogContax 645 Film Portrait Analog Contax 645 Film Portrait Analog Contax 645 Film Portrait Analog

Contax 645 – Kodak Portra 400

Ich hatte inzwischen zwei Filme belichtet und da ich gerade in der Hochzeit-Hochsaison stand wollte ich gleich die Contax bei einer Hochzeit unter Stressbedingungen testen. Bis jetzt habe ich kein einziges Foto aus der Contax gesehen und ich hatte auch keine Ahnung ob ich die Filme richtig eingelegt hatte, ob irgend eines der Fotos etwas geworden ist. Aber das ist das spannende an der Analogfotografie. Eine Filmkassette bestückte ich wieder mit dem Kodak Portra 400 und die andere mit einem Schwarzweissfilm. Ausgerechnet bei dieser Hochzeit regnete es wie aus Eimern, aber man muss nehmen was man bekommt.

Contax 645 Film Portrait AnalogContax 645 Film Hochzeitsfotografie Analog Contax 645 Film Hochzeitsfotografie Analog Contax 645 Film Hochzeitsfotografie Analog Contax 645 Film Hochzeitsfotografie Analog Contax 645 Film Hochzeitsfotografie Analog Contax 645 Film Hochzeitsfotografie Analog Contax 645 Film Hochzeitsfotografie Analog Contax 645 Film Hochzeitsfotografie AnalogContax 645 Film Hochzeitsfotografie Analog

Contax 645 – Film: Kodak Potra 400 & HP5

Weitere Analogfotos meiner Reise mit der Contax

Wie schnell ich die Contax in meinen Wedding Workflow einbauen kann wird sich zeigen, aber im Portrait Bereich ist sie schon fix gesetzt und wird den Großteil meiner Portraitfotografie abdecken.  Ich finde die Bilder haben einen ganz eigenen Charme und ich freue mich riesig noch viele viele Filme zu belichten und scannen zu lassen.

Contax 645 Film Portrait AnalogContax 645 Film Portrait AnalogPortrait Fotograf Film Analog Mittelformat Portrait Fotograf Film Analog Mittelformat

Landschaft / Cityscape mit Analog-Look

Salzburg Analog Film Contax 645 Salzburg Analog Film Contax 645Salzburg Analog Film Contax 645

Contax 645 – Film: Kodak Portra 400

Fazit:

Dafür, welche Ehrfurcht ich vor der Kamera hatte und, dass ich vorher noch nie einen Rollfilm gesehen habe, bin ich äußerst zufrieden mit den Ergebnissen. Mit noch ein paar belichteten Filmen und der Überwindung die Blende weiter als 2 zu schließen werden die Fotos technisch auch sicherer, aber auf der anderen Seite kann ich für technisch perfekte Bilder auch die 5D Mark III nehmen. Ich bin schier begeistert und verliebt in den Analog-Look und werde sicherlich meine Portrait Arbeit mit der Contax 645 bereichern. Der 120er Rollfilm hat mich auch in seinen Bann gezogen und ich kann mir gut vorstellen meine Sammlung auch um eine Hasselblad 500 zu erweitern und 6×6 Portraits und Landscapes zu fotografieren. Ich freue mich irrsinnig auf die neue Hochzeitssaison und auf die unzähligen Rollen Film die zu entwickeln sein werden.

Der einzige richtig große Nachteil ist das fehlen eines RAW Bildes. Mit meinen digitalen Canon Kameras fotografiere ich nur im RAW Format und habe sehr viele Möglichkeiten in der Nachbearbeitung. Bei den gescannten analogen Fotos übernimmt Carmencita Lab quasi einen Großteil der Nachbearbeitung und liefert die Bilder fertig in JPG. Bei den nächsten Scans werde ich den Aufpreis auf die TIFFs zahlen. Wenn ich die analogen Bilder verstärkt in meine Kundenprojekte einbaue werde ich auch wahrscheinlich dazu über gehen die Negative selber zu scannen.

Update 04.09.2018

Weil ich gerade wieder über den Blogpost gestolpert bin, hier zwei neue Lieblingsportraits von mir, aufgenommen mit der Contax 645.

Contax 645 Portraits Contax 645 Portraits

Vorgeschichte

Vor etwa dreizehn Jahren habe ich begonnen mich ernsthafter mit der Fotografie zu beschäftigen. Mein erstes Urlaubsgeld investierte ich in eine digitale Nikon Coolpix 3100 und infizierte mich sogleich mit dem Virus Fotografie. Die Digitalfotografie steckte noch in den Kinderschuhen und die kleinen Kompakten waren recht spärlich ausgestattet. So schwenkte ich auf eine Canon EOS 500, eine analoge Spiegelreflexkamera, die ich gebraucht von einem Arbeitskollegen erstand.

Das Medium Film war mir nicht gänzlich unbekannt, fotografierte ich als Teenager auch sehr gern und viel mit einer Canon IXUS APS Kamera.  Nein, nicht digital, das kleinere analoge Filmformat ist gemeint. Vielleicht erinnert sich jemand an die kleinen Filmkassetten, recht Benutzerfreundlich beim Film-Wechseln aber sonst mit etlichen Nachteilen gebrandmarkt.

Durch die vielen Einstellmöglichkeiten einer Spiegelreflexkamera beflügelt wurden einige 135er Filme belichtet und in Discountlaboren entwickelt. Mit mäßigen Ergebnissen da die langen Wartezeiten die Lernkurve extrem streckten.  Es machte dennoch sehr viel Spaß.

Die Digitalen Kameras gewannen an Bedeutung und so versuchte ich alle verfügbaren Mittel zusammen zu kratzen um eine digitale Canon EOS 300D zu kaufen. Ah, was war das für eine Vorfreude! Die sechs Megapixel in dem silbernen Gehäuse waren ein Traum.

An dieser Stelle möchte ich meinen Eltern vom tiefsten Herzen danken, dass sie mich immer bedingungslos unterstützt haben. Ich konnte mir die 300D noch nicht leisten und war dabei einen Kredit aufzunehmen. Mein Vater zögerte nicht und gab mir den benötigen Betrag damit ich die Kamera bar und schuldenfrei kaufen konnte. Damit war aber auch das Thema Analogfotografie Geschichte.

Nun etliche Jahre später, recht gut angekommen in der digitalen Ära, suchte ich nach Möglichkeiten meinem G.A.S (Gear Acquisition Syndrome) Einhalt zu gebieten und mich auf das Schöpferische zu konzentrieren. Meinen fotografischen Schwerpunkt bildet die Hochzeitsfotografie und da das Gerne so breit gefächert ist findet sich entsprechend viel Nährboden für exorbitante Ausrüstungswünsche und Kaufgelüste. Man will dem Kunden nur das Beste bieten.

Wer mal einen Wedding Workshop z.B. bei Carmen und Ingo besucht hat (absolut empfehlenswert) sieht vor sich einen Tisch mit etwa fünf Kameras und siebzehn Objektiven. Die beiden sind unglaublich erfolgreich im Hochzeitsbusiness und entsprechend gefragt ist ihre Meinung zur Ausrüstung und Arbeitsweise. Da wird alles von 16mm bis 200mm thematisiert und verwendet, auch wenn 90% der Fotos mit einem 50mm oder 85mm geschossen werden.

Ein 24mm in lichtstarker Ausführung und eines in Tilt/Schift. Ein 35mm da gerade so fancy und beliebt, ein 50mm darf sowieso nicht fehlen. Das Portrait Objektiv 85mm 1,2L ist selbstverständlich und 100mm Makro muss auch her. Für jeden Zweck das perfekte Objektiv. Dazu mindestens zwei Kameras und noch am besten vier als Backup. Weil man ja flexibel sein möchte hat man dann noch ein 24-70mm und ein 70-200mm, natürlich in bester L-Qualität. Sollte man sich dabei ertappen mehr als zehn Fotos mit einem der Objektive, für den Kunden zu machen, braucht man sowieso das gleiche Objektiv noch einmal als Backup, es könnte mal was kaputt gehen.

Irgendwann wurde mir das Ganze zu viel. Ich verbrachte mehr Zeit damit zu überlegen welche Objektive ich wann einsetzen möchte als mich auf das Motiv selbst zu konzentrieren. Abgesehen von der Plackerei  die Ausrüstung schleppen zu müssen wollte ich auch nicht nur arbeiten um mein G.A.S zu befriedigen.

Die Macht des Einfachen

So wie mich Business Gurus wie Carmen & Ingo inspirierten wurde ich auch zunehmend von einer frischen Welle junger Talente erfasst die mit einfachsten Mitteln unglaubliche Bilder zu Stande brachten – Fotografinnen wie z.B. Maja Topcagic die mit Einstiegskameras und einfachen Objektiven gewaltiges produzierten.

Ein einschneidendes Erlebnis war ein Video von Amanda Dahms (Amanda Berens) in dem sie ihre Arbeitsweise präsentierte. Fast alle Bilder wurden lediglich mit einem 50mm geschossen und ich war begeistert. Es kann doch so einfach sein.

Ich ertappte mich wie ich immer mehr Fotografen folgte die mit einfachen Mitteln arbeiten. Eine klare Linie. Die Reduzierung des technischen auf ein Minimum eröffnete mir den Raum für gestalterisches und schöpferisches.

Versteht mich nicht falsch, ich bin immer noch einer der mit dreifachem Backup ausrückt und jede technische Neuerung mit Kinderaugen betrachtet. Aber die Arbeitsweise hat sich gravierend geändert. Ich habe ein Set welchem ich vertraue und neunzig Prozent meiner Reportagen kann ich damit abdecken. Aktuell arbeite ich am liebsten mit einem 24mm und einem 50mm Objektiv.

Wenn ich gezwungen wäre nur ein Objektiv verwenden zu dürfen wäre das ganz klar das 50mm. Somit beschäftige ich mich auch unentwegt damit und suche nach Möglichkeiten das Maximum heraus zu holen.

Die nächste Stufe

Endlich war das G.A.S. überwunden und ich konnte mich auf die Arbeit konzentrieren.

Hallo, mein Name ist Amir und ich habe seit über zwei Jahren kein neues Objektiv gekauft!

Nach drei Jahren erfolgreicher Hochzeitsfotografie und ständiger Weiterbildung ertappte ich mich wieder wie ich ganz klar eine Art von Fotografie bevorzugte und Fotografen mit einer ganz eigenen Bildsprache als Vorbilder betrachtete.  Eines hatten alle diese Fotografen gemeinsam, sie fotografieren analog.
Ja, ganz genau – ANALOG. In der Zeit der Hochtechnologie und immer besser, schneller und kleiner werdenden Kameras würde man das nicht als einen extremen Rückschritt sehen?
Analogfotografie erlebt eine kleine Renaissance und Hersteller wie Kodak bringen sogar alte Filme wieder zu neuem Leben. Aber ist es wirklich umsetzbar und praktikabel, ist es nicht nur ein Hype? Wie auch immer, nachdem ich eine wundervolle Portrait Session bei Siegrid Cain gebucht hatte und sie mein Lieblingsportrait auf 120er Film brannte war ich endgültig Feuer und Flamme für analoge Fotografie.

Meine erste richtige SLR, die Canon EOS 500, war noch im Schrank und fast funktionsfähig. Nachdem ich ihr eine neue Batterie verpasst hatte war sie sofort wieder einsatzbereit. Zu meiner Überraschung war ein Film bereits eingelegt, leider hatte ich keine Ahnung was schon belichtet war. Neue 135er Filme zu bekommen ist auch nicht so einfach gewesen, aber ein paar Kodak Portra 400 und ein paar Schwarzweiß Filme konnte ich ergattern.

Praktischer weise wurde ich zu einer Hochzeit eingeladen, ausnahmsweise als Gast, und das war die perfekte Möglichkeit ein paar Filme stressfrei zu belichten. Es hat sich fantastisch angefühlt, auch wenn ich mir recht lächerlich vorgekommen bin, nach jedem auslösen auf die Rückwand der analogen Kamera blickend. Das faszinierende an der analogen Fotografie ist das notwendige Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Es gibt keine Möglichkeit das Foto unmittelbar zu kontrollieren.  Der Umgang mit einem Handbelichtungsmesser und die Geduld, die notwendig ist, haben was Esoterisches an sich. Der gängigste Begriff wäre wohl „Entschleunigt“.

Nach der Hochzeit mussten die Fotos entwickelt und gescannt werden. Wie macht man das heutzutage? Nachdem ich die Analog Hochzeitsfotografie Szene intensiv verfolgt habe ist ein Name ganz klar in den Vordergrund zu stellen: Carmencita Film Lab. Ein wenig auf der Seite gestöbert und das erste Bestellformular ausgedruckt, schon waren die ersten Filmrollen in einem Umschlag nach Valencia. Die Wartezeit auf die Scans war unendlich. Man kann sich das kaum vorstellen welche Vorfreude und Neugier hier geweckt wird. Der normale Preis für Entwicklung und Scan beinhaltet eine Bearbeitung in 4-5 Werktagen, das aber erst nachdem die Filme angekommen sind und die Rechnung beglichen wurde. In Summe kann das dann schon 10 Tage dauern bis man seine Analogfotos bekommt.

Analog Fotografie Canon EOS 500 Analog Fotografie Canon EOS 500 Fineart Hochzeitsfotografie Analog Film Fineart Hochzeitsfotografie Analog Film

Alle Fotos oben geschossen mit Canon EOS 500 – Canon EF 50mm 1,2LKodak Porta 400

Schon seit ihr denken kann ist meine Traumkamera eine Hasselblad. So war es auch nahelegend für das analoge Abenteuer nach einer Hasselblad Ausschau zu halten. Interessanterweise hat sich die Hasselblad aber in der Hochzeitsbranche nicht so durchgesetzt denn führende Fotografen in diesem Bereich arbeiten vermehrt mit einer ganz anderen Kamera. Als „state of the art“ Kamera im wedding business hat sich die Contax 645 etabliert. Wahrscheinlich ist es Jose Villa und Co. geschuldet, dass alle nach der Kamera gieren, arbeitet doch er als einer der berühmtesten Hochzeitsfotografen mit der Contax.
Entsprechend diesem Umstand ist die Contax auch eine der teuersten analogen Mittelformatkameras die am Gebrauchtmarkt zu finden sind. Die Preise bewegen sich im Bereich 2000-5000 EUR abhängig des Zustandes und vor allem abhängig vom Objektiv. Die Contax 645 hat nämlich ein Alleinstellungsmerkmal, das ZEISS Planar 2/80mm Traumobjektiv.

Meines Wissens nach gibt es kein anderes Mittelformat Objektiv mit einer Blende von 2. Oft wird es als das perfekte Portrait Objektiv genannt und ist am großen Erfolg der Contax 645 maßgeblich beteiligt.

Diese Preisspanne für eine gebrauchte nicht mehr produzierte Kamera war mir ursprünglich zu heftig aber ich ließ aus Neugier ein paar Agenten nach der Contax suchen. So es der Zufall will stolperte ich dann doch über eine sehr gut erhaltene Contax mit dem Zeiss 80mm Objektiv und musste zuschlagen.

Contax 645 Mittelformat Analog

Das Abenteuer Contax 645

Die Größe einer Mittelformat Kamera war mir nicht neu, die Contax hat die gewohnte Übergröße wie auch eine Hasselblad der H Serie oder vergleichbares. Die Verarbeitung und Haptik sind auf Profibetrieb ausgelegt und alles sitzt auf seinem Platz. Das gesamte Bedienkonzept ist selbsterklärend und die einzige richtige Herausforderung für den Start ist das erste einlegen eines 120er Films in die Filmkassette. Nachdem ich zum ersten Mal in meinem Leben einen 120er Film in den Händen gehalten hab war ich etwas ehrfürchtig. Doch selbst das Filmladen war nach zwei Handgriffen und zwei drei Wiederholungen eines YouTube Videos erledigt.

Den Film zu laden hatte für mich etwas Meditatives, Beruhigendes. Es geht nicht überhastet und schnell, nur mit Geduld und Präzision. Das alleine ist schon ein bemerkenswerter Unterschied zu meinem digitalen Workflow gewesen. Speicherkarten rein und los geht’s. Hier ging es zuerst darum zu überlegen was fotografiert wird, welcher Film ist notwendig, werden die Bedingungen ein Fotografieren mit dem entsprechenden Film erlauben.

Als ich den ersten Film eingelegt hatte musste ich schmunzeln als ich den Kartondeckel vom Film abreißen und hinten auf der Filmkassette einspannen musste, damit ich später den eingelegten Film identifizieren kann. So etwas kennt man in der digitalen Welt nicht. Ich habe mir einen Vorrat an Kodak Portra und Fuji 400H Filmen angelegt, wobei ich bis jetzt dem Kodak verfallen bin.

Endlich war es so weit, ich hatte meine eigene Contax 645 und die ersten Filme waren eingelegt. Zwei Filmkassetten hatte ich bekommen und konnte so zwei Filme laden. Was bietet sich mehr an für einen Kameratest als die eigene Familie? An einem schönen Nachmittag gingen wir mit Arian zum Spielplatz und ich schleppte die Contax mit um die ersten Bilder zu belichten. Schleppen ist der richtige Ausdruck, die Kamera und das Objektiv sind weit schwerer als eine normale DSLR Ausrüstung, aber man gewöhnt sich dran.

Ich muss sagen, dass ich richtig nervös war. Ich hatte eine Traumkamera in meinen Händen und würde die ersten Mittelformat Fotos belichten. Doch, habe ich den Film richtig eingelegt? Den Schieber aus der Filmkassette ziehen fühlte sich so handwerklich an, dass ich meine digitale Arbeitsweise gar als dilettantisch empfand.

Um ein spielendes Kind zu porträtieren ist die Kamera nicht gemacht. Der Autofokus ist ok, aber die unglaublich geringe Tiefenschärfe verlangt präzisestes Fokussieren, ich habe meistens manuell eingegriffen und nachkorrigiert. Der große Sucher erlaubt das aber mit Leichtigkeit und es ist eine Wohltat durch den Sucher zu blicken und die unglaublich weichen Übergänge zur Unschärfe zu verschieben.

Durch die Beschränktheit der 16 Bilder pro Film war die Herangehensweise auch völlig konträr zum digitalen Workflow. In der gleichen Zeit hätte ich mit der Canon 5D Mark III wahrscheinlich 200 Fotos geschossen, mit der Contax begnügte ich mich mit zwei Filmen, also insgesamt 32 Fotos. Man beobachtet mehr durch den Sucher, versucht die Situation besser vorherzusehen und wartet die besseren Momente ab.

Contax 645 Film Portrait AnalogContax 645 Film Portrait Analog Contax 645 Film Portrait Analog Contax 645 Film Portrait Analog

Contax 645 – Kodak Portra 400

Ich hatte inzwischen zwei Filme belichtet und da ich gerade in der Hochzeit-Hochsaison stand wollte ich gleich die Contax bei einer Hochzeit unter Stressbedingungen testen. Bis jetzt habe ich kein einziges Foto aus der Contax gesehen und ich hatte auch keine Ahnung ob ich die Filme richtig eingelegt hatte, ob irgend eines der Fotos etwas geworden ist. Aber das ist das spannende an der Analogfotografie. Eine Filmkassette bestückte ich wieder mit dem Kodak Portra 400 und die andere mit einem Schwarzweissfilm. Ausgerechnet bei dieser Hochzeit regnete es wie aus Eimern, aber man muss nehmen was man bekommt.

Contax 645 Film Portrait AnalogContax 645 Film Hochzeitsfotografie Analog Contax 645 Film Hochzeitsfotografie Analog Contax 645 Film Hochzeitsfotografie Analog Contax 645 Film Hochzeitsfotografie Analog Contax 645 Film Hochzeitsfotografie Analog Contax 645 Film Hochzeitsfotografie Analog Contax 645 Film Hochzeitsfotografie Analog Contax 645 Film Hochzeitsfotografie AnalogContax 645 Film Hochzeitsfotografie Analog

Contax 645 – Film: Kodak Potra 400 & HP5

Weitere Analogfotos meiner Reise mit der Contax

Wie schnell ich die Contax in meinen Wedding Workflow einbauen kann wird sich zeigen, aber im Portrait Bereich ist sie schon fix gesetzt und wird den Großteil meiner Portraitfotografie abdecken.  Ich finde die Bilder haben einen ganz eigenen Charme und ich freue mich riesig noch viele viele Filme zu belichten und scannen zu lassen.

Contax 645 Film Portrait AnalogContax 645 Film Portrait AnalogPortrait Fotograf Film Analog Mittelformat Portrait Fotograf Film Analog Mittelformat

Landschaft / Cityscape mit Analog-Look

Salzburg Analog Film Contax 645 Salzburg Analog Film Contax 645Salzburg Analog Film Contax 645

Contax 645 – Film: Kodak Portra 400

Fazit:

Dafür, welche Ehrfurcht ich vor der Kamera hatte und, dass ich vorher noch nie einen Rollfilm gesehen habe, bin ich äußerst zufrieden mit den Ergebnissen. Mit noch ein paar belichteten Filmen und der Überwindung die Blende weiter als 2 zu schließen werden die Fotos technisch auch sicherer, aber auf der anderen Seite kann ich für technisch perfekte Bilder auch die 5D Mark III nehmen. Ich bin schier begeistert und verliebt in den Analog-Look und werde sicherlich meine Portrait Arbeit mit der Contax 645 bereichern. Der 120er Rollfilm hat mich auch in seinen Bann gezogen und ich kann mir gut vorstellen meine Sammlung auch um eine Hasselblad 500 zu erweitern und 6×6 Portraits und Landscapes zu fotografieren. Ich freue mich irrsinnig auf die neue Hochzeitssaison und auf die unzähligen Rollen Film die zu entwickeln sein werden.

Der einzige richtig große Nachteil ist das fehlen eines RAW Bildes. Mit meinen digitalen Canon Kameras fotografiere ich nur im RAW Format und habe sehr viele Möglichkeiten in der Nachbearbeitung. Bei den gescannten analogen Fotos übernimmt Carmencita Lab quasi einen Großteil der Nachbearbeitung und liefert die Bilder fertig in JPG. Bei den nächsten Scans werde ich den Aufpreis auf die TIFFs zahlen. Wenn ich die analogen Bilder verstärkt in meine Kundenprojekte einbaue werde ich auch wahrscheinlich dazu über gehen die Negative selber zu scannen.

Update 04.09.2018

Weil ich gerade wieder über den Blogpost gestolpert bin, hier zwei neue Lieblingsportraits von mir, aufgenommen mit der Contax 645.

Contax 645 Portraits Contax 645 Portraits